Der Dank des Thagorn

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Reisetagebucheintrag des Burian Eichenfold

Bornland, Überwals im Praios, 32 Hal

Es war Ende Praios. Ich zählte die Tage, die ich im Bornland verbrachte, schon gar nicht mehr. Vor 2 Tagen bin ich mit Peredhil und Amarie, zwei Elfen, Thoran ay Bennay, einem Kampfmagier aus Bethana, Thalantyr, einem Schwarzmagier aus Fasar und seinem Gefährten Elrik, einem Krieger, von Burg Waldeck aufgebrochen.

Die Burg hatten wir zusammen mit den Wolfssteinern eingenommen, um dort den dämonischen Hexenzirkel der „Schatten der Nacht“ zu zerschlagen - was gelang - jedoch schien es, dass die böse Oberhexe Caeda entkommen sei, da man an dem Ort, wo sie erschlagen und ihr Körper leblos des Nachts lag, am nächsten Morgen nur einen Haufen Asche sahen, überwuchert von schwarzen Ranken.

Während wir noch berieten, was zu tun sei, trat eine uns bekannte Hexe vom Hexenzirkel auf Burg Waldeck auf uns zu. Fatima war Mitglied im Zirkel gewesen, hatte sich aber frühzeitig wieder abgesetzt, als ihr klar wurde, welche Absichten die Oberhexe hatte. Zusammen mit dem Hofmagier des Herzogs von Waldmark, Vitus von Bachental war sie von der Burg geflohen. Nun war sie auf Vitus allerdings gar nicht gut zu sprechen. Anstelle von Dankbarkeit warf sie ihm Diebstahl eines mächtigen Artefakts vor, mit dessen Hilfe die dunkle Hexe Caeda angeblich aufgespürt werden kann. Sie erzählte uns auch von Caedas Halbschwester, Rassia der Roten, die Caeda ebenbürtig und mit ihr verfeindet war. Wir fassten den Entschluss, Vitus von Bachental aufzusuchen und etwas gegen Caeda zu unternehmen, falls sie wirklich wieder unter den Sterblichen weilen sollte. Fatima ay Sinistra wies uns den Weg zum Lager des Hofmagiers, welches einige Tagesreisen entfernt im Überwals lag.

Der Weg war lang und mühsam. Mehrmals verliefen wir uns, denn Fatima, die uns führte, kannte den Weg wohl nur aus der Luft und so landeten wir mehr als einmal in einem Dickicht, aus dem es nur noch einen Ausweg gab - rückwärts. Wir überlegten uns mehrere Wege, wie wir dem Hofmagier begegnen wollten. Zum einen wollten wir etwas über das Artefakt herausfinden, um Caeda aufzuspüren, andererseits wussten wir nicht, ob wir Fatima vertrauen konnten, und ob Vitus tatsächlich arrogant, hinterhältig und ein böser Schwarzmagier sei. Wir wollten mit Vorsicht agieren und uns mit ihm einlassen, wenn er uns seine Gastfreundschaft anbot, ihn aber gnadenlos töten, wenn er Zauber und Stab gegen uns erhob. Kurz vor Vitus Lager schließlich verließ und Fatima und wünschte uns viel Erfolg.

An einem größeren Felsgebilde wurden wir plötzlich von Untoten, die sich in den Spalten und Rissen der Felsen versteckt hielten angegriffen. Es kam zu einem kurzen heftigen Geplänkel. Wir mussten ihnen sogar die Köpfe und Gliedmassen abschlagen, bis sie sich nicht mehr rührten. Da tauchte plötzlich auch noch Vitus mit zwei Waldmarker Gardisten auf. Der Hofmagier war zufällig auf Kräutersuche, und hatte den Kampflärm bemerkt und eingegriffen. Wir mussten ihm Dankbarkeit zollen und begleiteten ihn zu seinem Lager, als er uns einlud seine Gäste zu sein.

Das Lager mit sieben Zelten und einem gemütlichen Baldachin lag gut versteckt auf einer Wiese inmitten des dichten bornischen Nadelwaldes. Schutz bekam er von einem Haufen Waldmarker Gardisten, unter einem gewissen Hauptmann Falk.

Natürlich interessierten wir uns sehr für das Artefakt, von dem Fatima, die Hexe, berichtet hatte. Es war eine Kristallkugel, die auf einem Sockel, inmitten von Ruinenstelen stand und sich nicht fortbewegen ließ. Die Stelen wurden von der Archäologin Serafina de Champoleon ausgegraben. Auf ihnen waren unleserliche bildhafte Zeichen eingeritzt. Sie erzählte uns, dass diese von Goblins stammen, aber ihre Bedeutung war weitgehend unbekannt. Aus diesem Grund hatte sie, eine Archäologin aus einer berühmten und angesehen horasischen Forscherfamilie, sich dieser Sache angenommen, um als berühmte Goblinforscherin an der „Geologischen Societät zu Vinsalt“ großes Ansehen zu erlangen. Zu ihrer Familie habe ich eine besondere Beziehung. Seit ich ihrem Vater vor Orks im Norden Weidens gerettet habe, und ich als Dank nach Vinsalt reisen durfte, kann ich mich einen guten Freund der Familie Champoleon nennen. Aus diesem Grund lud mich Serafina ein, in ihrem Zelt zu nächtigen. Sie war mittlerweile die Geliebte des Hofmagiers geworden.

Vitus interessierte sich nur für das Artefakt. Er konnte es jedoch bedauerlicherweise nicht auf magische Weise untersuchen, da Magie um und auf das Artefakt zu wirken unmöglich war. Schuld daran war eine magische Kuppel rund um das Artefakt und das Lager, welche jegliches Wirken von Magie in ihrem Inneren zunichte machte, berichtete er. Die Magier Thalantyr und Thoran bestätigten dies. Auch für sie blieben die Zeichen auf den Ruinen vorerst ein Rätsel.

Gegen Abend nahm man ein gemeinsames Abendessen ein und beriet, ob man es wagen könnte, die magische Barriere zu zerstören, um das Geheimnis um die Glaskugel zu ergründen. Thoran war der einzige, der dazu fähig war. Nach langem Abwägen im Geheimen, fasste man den Entschluss die Kuppel zu beseitigen. Doch wie würde der Hofmagier dann reagieren? Thalantyr wollte gar die Gardisten auf seine Seite bringen und den Hofmagier beseitigen. Thoran, ich und die anderen warteten ab. Die Situation war auf das Äußerste gespannt. Die Gardisten unter Hauptmann Falk verabschiedeten sich zu einer langen Patrouille.

Es dauerte lange und war kraftraubend für Thoran, den Zauber, der die Kuppel erschuf aufzuheben. Als es vollbracht war, untersuchte der Hofmagier das Artefakt mit einem Analysezauber, welcher eine ganze Weile dauerte. In der Zwischenzeit schlich ein Waldwesen unbekannter Art, mit grünlichem Gesicht und grüner Wollkleidung gebückt auf die Wiese. Es freute sich, diesen Ort nach jahrelanger Bannung wieder betreten zu können. Irgendwie hatte die Kuppel das Wesen abgehalten. Es war sehr neugierig und betrachtete uns alle und vor allem das Artefakt nun aus unmittelbarer Nähe.

Nachdem der Hofmagus mit seiner Analyse fertig war, wollte er das Artefakt nun aktivieren. Aber wie? Das Waldwesen wusste damit umzugehen und die Magier sahen und hörten eine düstere Legende, vom Erwachen des Bösen.

Plötzlich bewegten sich neue Gestalten auf die Waldlichtung. Es war Caeda, die Schwarzhexe mit zwei schwarz bekleideten Kuttenträgern. Sie forderte uns unverzüglich auf das Feld zu räumen, um ihr das Artefakt zu überlassen. Wir blieben standhaft und bildeten einen Kreis um die Ruinenstätte. Caeda und ihre zwei Begleiter kamen näher. Wir blieben noch standhaft. Keine zehn Schritt vor uns rief Caeda Verstärkung aus dem Wald hinter sich hervor. Eine Übermacht an daimonischen Wesen ergoss sich auf die Lichtung. Wir zogen uns in den Wald zurück, den gleichen beschwerlichen Weg, den wir mit Vitus hinab gestiegen waren, erklommen wir jetzt in Windeseile.

Am oberen Wegesrand angekommen spürten wir unsere Verfolger nicht mehr im Nacken und beratschlagten wohin wir nun gehen könnten. Als Einzige fiel uns Rassia, die Rote, die Hexe und Gegenspielerin von Caeda ein - doch wo lebte sie? Glücklicherweise konnte uns diese Frage der Waldgeist beantworten, welcher auch anbot uns zu führen. Sie hauste auf dem nahe gelegenen Berggipfel Vidhar’Alt.

Es dämmerte bereits, als wir uns auf den Weg machten. Am Anfang ging es bequem auf Waldwegen allmählich bergan. Doch schon bald führte der Weg beschwerlich in die Höhe. Vor allem dann, wenn man in Rüstung und mit Schild unterwegs ist. Doch der Anstieg war nichts im Vergleich zu dem was später noch auf uns wartete. Stetig führten die Wege nun bergauf und wurden immer enger, mit Steinen und Wurzel durchzogen. Dann endete der Weg und wir mussten uns durch den Wald schlagen und standen alsbald vor einer ersten kleineren Felswand. Die letzten schwachen Lichtstrahlen erloschen und es ward fortan dunkel um uns. Die Nacht war angebrochen, doch wir hatten unser Ziel noch nicht erreicht. Das Waldwesen meinte den einzigen Weg zu den Hexen zu kennen und so blieb uns nichts anderes übrig, als ihm weiter zu folgen.

Wir stiegen nach und nach die natürlich geformten Steinquader, die mit Büschen, Sträuchern und umgefallen Bäumen übersäht waren nach oben. Es wurde immer enger, und des Öfteren blieb man an den Ästen hängen oder stieg in ein Loch. Elrik hatte einen Wanderstab bei sich, der ihm nun große Dienste erwies. Er warnte uns vor Löchern und Abgründen, die wir dank ihm alle überstiegen.

Nach einer Weile gelangten wir auf ein endloses mit Sträuchern und umgefallenen toten und morschen Bäumen übersätes Plateau, welches unterhalb des Gipfels liegen musste. Wieder überstiegen wir zahllose Stämme, Löcher und Steine. Der Weg wurde immer beschwerlicher, die Kraft schwand und uns wurde klar, dass wir nicht mehr umkehren konnten, denn die erste Felswand konnte man bei Dunkelheit nicht gefahrlos absteigen. Immer weiter kämpften wir uns Schritt für Schritt durch das unwegsame Gelände. Schließlich erblickten wir den Gipfel, der wenige Schritte in direkter Richtung zum Greifen Nahe lag. Ein Licht brannte. Wir fassten wieder Hoffnung. Jedoch hinderte uns eine letzte gewaltige Felswand die mühevolle Reise zu Ende zu bringen. Mit den allerletzten Reserven schlugen wir uns durch die obersten Büsche vor dem Aufstieg in die Felsen. Mein Herz raste wie wild, weil ich mich von Höhenangst nicht frei fühlte. Aber alle anderen wussten, dass es keine Umkehr und keine Aufgabe, so kurz vor unserem Ziel geben durfte und sie machten mir Mut.

Fels für Fels erklommen wir nacheinander mit dem Waldgeist als kundigen Führer und mittlerweile nur noch einer Kerzenlaterne. Immer wieder mussten wir unsere Ausrüstung nach vorne geben, da sie uns zu sehr beim Aufstieg und Klettern behinderte. An vielen Stellen ging es nur mit Unterstützung der Gefährten vorwärts, die mich an meinen Händen nach oben zogen. Elrik und Thoran stellten sich, neben, dem Walgeist, der scheinbar mühelos die Felsen erklomm, als weiterer geschickter Kletterer heraus. Es war mittlerweile tiefe Nacht. Nur die Lampe und das helle Mondlicht schenkten uns Licht zur Orientierung und bewahrten uns vor tödlichen Fehltritten in Felsspalten und Abgründe. Die Kletterei zog sich hin. Immer wieder mussten Klettersteige erst erkundet werden. Dann stiegen die anderen nach. Es dauerte und dauerte. In mir wechselten sich Todesängste und Konzentration immer wieder ab, je nachdem wie schwierig sich eine Kletterstelle herausstellte. Doch wir kamen voran und das Licht, das die obere Kante des Gipfels markierte rückte stetig näher. In mir keimte wieder Hoffnung, dieses Abenteuer doch noch bestehen zu können. Im oberen Teil ging es schneller voran und kurz unterhalb des Gipfels hörten wir sie, die Hexen. Sie sangen seltsame Lieder und kreischten und lachten.

Oben angelangt hießen sie uns an ihrem Feuer willkommen. Es war mittlerweile kalt geworden und ein starker Wind blies um den Gipfel. Trotzdem trugen die Hexen nur dünne Kleidung. Die Flammen loderten kräftig auf. Sie gaben uns köstliche Früchte und hörten Thoran, der von Caeda berichtete aufmerksam zu. Thoran und die anderen konnten die Hexen überreden uns gegen Caeda beizustehen und mit uns zum Lager zurückzugehen, um Caeda zu vertreiben. Nach einer kurzen Rast brachen wir gemeinsam auf und stiegen vom Gipfel einen weitaus bequemeren Weg hinab. Der Waldgeist war mittlerweile verschwunden. Er wandelt auf durchaus seltsamen Wegen durch den Wald.

Spät in der Nacht gelangten wir wieder an das Lager des Hofmagiers. Aber dieses Mal näherten wir uns aus südlicher Richtung über eine freie Fläche an. Wir hatten mit den Hexen einen Angriffsplan ausgeheckt. Wir mussten die Hexen bis zwanzig Schritt an Caeda und ihre Dämonen heranbringen, dann würden sie in einem Hexenritual die Dämonen vertreiben. So eilten wir in Schlachtreihe die Wiese hinauf, die Hexen hinter uns.

Doch Caeda war mit ihren Dämonen nicht alleine geblieben. Sie hatte scheinbar Mitstreiter gefunden, die - kaum sichtbar in der Dunkelheit - ein nach unten blickendes Auge auf ihrer Stirn trugen. Unter ihnen war eine, die sich als Hesindegeweihte ausgab. Sie beschuldigte den Schwarzmagier Thalantyr, Caeda gefangen und sie dämonisch gefoltert zu haben. Thoran versuchte zu verhandeln, er wurde jedoch von einem gegnerischen Magier mit einem Horriphobus vertrieben. Es bahnte sich schon ein Kampf an, als das Hexenritual seinen Höhepunkt erreichte und die Dämonen vertrieben wurden. Es muss wohl an den schaurigen aber sehr wirkungsvollen Gesängen der Hexen gelegen haben. Aber ich verstehe nichts von Hexenzaubern. Endlich konnten wir uns von unseren Vorwürfen befreien und Caeda als die einzig Schuldige hinstellen. Sie floh leider in der Dunkelheit und war in den nächsten Tagen nicht mehr gesehen. Die Lage beruhigte sich und wir stellten uns gegenseitig den anderen Ankömmlingen vor. Sie sagten, sie hätten das merkwürdige Zeichen von Goblins auf ihre Stirn gemalt bekommen, als Ausdruck, dass sie in den hiesigen Landen willkommen wären.

Gemeinsam nächtigten wir nun im Lager des Hofmagiers und der Archäologin, nachdem eine Patrouille seiner Gardisten erst zu sehr später Stunde wieder im Lager eintraf.



26. Praios 32 Hal


Früh am nächsten Morgen marschierte eine stattliche Anzahl von herzöglichen Gardisten unter einem Hauptmann namens Hagen in das Lager des Hofmagiers, um ihn zu verhaften. Doch Vitus musste so etwas geahnt haben. Er war verschwunden. Die Gardisten gingen sehr grob vor, untersuchten alle Zelte und die nahe Umgebung, alleine vom Magier fehlte jede Spur. Daraufhin forderte uns der Hauptmann auf, ihnen in das herzögliche Lager, welches angeblich nicht weit entfernt läge zu folgen. Die Ankömmlinge in der Nacht wurden, aufgrund ihres Zeichens auf der Stirn als Thagorn-Anhänger verhaftet. Ich, Thoran und Thalantyr sollten unter freiem Geleit mitkommen. Die beiden Elfen vorerst nicht. So zogen wir ein halbes Stundenglas gen Rahja und Praios zum Herzogslager. Dort angekommen, wurden jedoch auch wir verhaftet. Man warf uns vor an der Erstürmung der Burg Waldeck schuldig zu sein. Wir befürchteten dies, und wollten alles leugnen. Ich sah mich nicht unbedingt an meine adeligen Pflichten gebunden, denn im rauen Bornland galten die Gesetze des Mittelreichs wenig und die des Herzogs von Waldmark vor allen anderen.

Nacheinander wurden wir einzeln verhört. Unter Androhung der Folter durch Dolor, des Herzogs sadistischem Folterknecht, unter dem Eid auf die Zwölfgötter im Angesicht der Hesindegeweihten, antwortete ich auf die Fragen des Herzogs aber wahrheitsgemäß, wie es einem Krieger von Stande gebührt. Ich gab zu bei der Erstürmung dabei gewesen zu sein. Betonte jedoch, dass es die Absicht gewesen sei, ein bevorstehendes Hexenritual, welches sich später als dämonisch herausstellte zu unterbinden. Dass die Burg in die Hände der Wolfssteiner gefallen sei, wäre dabei leider nicht zu vermeiden gewesen. Dass ich Gardisten des Herzogs erschlagen hatte, begründete ich mit der Ehrlosigkeit, den Ausgang eines ehrvollen Duells zwischen dem Rondrageweihten auf unserer Seite und dem Hofkaplan, einem Koranhänger, der unterlag, nicht anzuerkennen. Im Falle der Niederlage des Hofkaplans, sollten die Burgtore für die Angreifer geöffnet werden. Als dies nicht geschah, hatte Waffengewalt angewendet werden müssen. Im Übrigen trüge für allerlei Machenschaften höchstwahrscheinlich vor allen Dingen der Hofmagus die Schuld, welcher die beteiligten Parteien gegeneinander aufgehetzt habe.

Der Herzog glaubte mir. Er gab mir unter der Bedingung meine Freiheit wieder, dass ich meine Waffe ohne Bezahlung in seinen Dienst stellen würde und ihm gegen die marodierenden Goblins beistünde. Den anderen erging es ähnlich. Ich war auch glücklich meinen Steckbrief im herzöglichen Lager entfernen zu dürfen. Immerhin waren 30 Dukaten lebend und 15 Dukaten tot auf mich ausgesetzt. Hätte dies der Koranhänger unter den Gardisten von Hauptmann Falk, mitbekommen…. Aber er weilte ja im Lager des Hofmagiers, pardon ehemaligen Hofmagiers, denn die Archäologin hatte das Tagebuch von Vitus in das Herzoglager mitgenommen, mit der Absicht uns zu entlasten. Der Herzog las lange und aufmerksam Seite um Seite. Zum Schluss erklärte er Vitus von Bachental zum Hochverräter. Ich bin gespannt welches Kopfgeld auf ihn ausgesetzt wird.

Im Lager traf Thalantyr auf alte bekannte Gefährten, wie Magister Davor oder Magister Naryador und weitere. Sie berichteten von Goblins, die Thagorn, einem mächtigen bösen Goblinschamanen huldigten. Nachdem sich alle Gefangen wieder frei bewegen konnten, diskutierten die Magier heftig über die Bedeutung der Inschriften auf den Stehlen in der Ruinenstätte. Viel kam dabei nicht heraus, aber ein Zeichen schien auf einen See hinzudeuten, der verborgen im Wald lag. Als wir auf der Karte des Herzogs solch einen erblickten, wollten wir im Laufe des Tages dorthin aufbrechen, um ihn zu untersuchen. Die Magier hatten irgendeine Ahnung, verrieten aber nichts. Die Praiosscheibe stieg zur höchsten Stelle am Firmament auf, wir nahmen ein vorzügliches Mahl ein, als der Herzog Patrouillen zusammenstellte, um einen Ingerimmgeweihten, der von Goblins entführt wurde zu suchen und zu befreien, wenn er noch leben sollte. Dieser hatte die Abenteurer, die gestern im Herzogslager eingetroffen waren begleitet. Thalantyr, Thoran & Elrik wollten lieber den See aufsuchen. So begleiteten wir eine Patrouille nur ein Stück des gleichen Weges und trennten uns dann von ihnen. Wenig später vernahmen wir Kampfeslärm nicht weit zu unserer Linken. Doch der dich bewaldete Hang ging steil bergan, und so erspähten wir nichts. Wir ließen es auf sich beruhen und folgten dem Weg zum See weiter, so gut wir die Karte des Herzogs in Erinnerung hatten, denn niemand hatte sich den Weg abgezeichnet. An einer Abzweigung wussten wir nicht weiter, und folgten dem falschen Weg, da in unsere Ohren immer noch die Worte des Knappen des Herzogs erklangen, der Weg bleibe in seiner Beschaffenheit immer gleich. So irrten wir stundenlang durch den Wald, ohne den See zu finden. Erschöpft und entmutigt begaben wir uns schließlich auf den Rückweg am späten Nachmittag.

An derselben Stelle, wo wir den Kampfeslärm beim Aufstieg vernommen hatten, hörten die beiden Gardisten, die uns begleiteten wieder vereinzelte Schreie. Jetzt wollten wir der Sache wirklich näher auf den Grund gehen. Zumindest ich, ein Gardist und Thoran. Wir begaben uns in den Wald hinein und erklommen die steilen Hänge hinauf an einigen Felsquadern vorbei, als wir plötzlich die braunen Gesichter von Goblins erkannten. Wir sammelten uns und schlichen uns heran. Wir erkannten zuerst vier, wenig später mehr Goblins, die uns feindlich gesonnen waren und sich gerade zum Kampf aufstellten. An einem Felsbrocken ein paar Schritt über dem Boden, war ein Schild mit einem Hammer angelehnt. Es könnte das, des Ingerimmgeweihten sein.

Auf unserem Vormarsch trafen wir auf zwei geschwächte Abenteurer aus dem Herzogslager. Sie erzählten uns, dass sie von den Goblins gefangen genommen wurden, als sie versuchten, den Geweihten zu befreien. Sie begleiteten den Knappen des Herzogs, der eine Patrouille in diese Gegend anführte. Der war aber bereits feige ins herzögliche Lager zurückgelaufen, wie wir später erfuhren. Sein Helm lag jedoch noch hier und so befürchteten wir auch das Schlimmste für ihn.

Wir waren nicht viele: Vier ausgeruhte Kämpfer, leicht bewaffnet, und die beiden Gefangenen, die irgendwie mit Hilfe eines seltsamen Steines oder Schlüssels entfliehen konnten. Der Kampf war hart. Jeder Fels und Schritt war hart erkämpft. Als wir einige Goblins erschlagen hatten, erweckte sie ihre Schamanin plötzlich zu neuem Leben als Untote. Diese Goblins mussten mit Thagorn im Bunde sein, da auch sie das Zeichen eines nach unten blickendes Auge auf der Stirn trugen. Wir schickten nach Verstärkung aber die kam nicht. So suchten wir nach neuen Wegen um in das Goblinversteck einzudringen. Wieder entbrannte ein heftiger Kampf. Ich und die Hesindegeweihte schlugen uns durch einen engen Durchgang unter einem Felsen in das Herz des Goblinbaus hinein und fielen somit den letzten kämpfenden Goblins in die Seite, die bereits heftig gegen unsere Gefährten kämpfen.

Noch bevor wir nach etlichen blutigen und grausamen Gemetzel den letzten der Rotpelze erschlagen hatten, floh deren Schamanin. Wir befreiten den Geweihten, der sich nur schwerlich auf den Beinen halten konnte. Wir selbst waren auch schwer angeschlagen und so begab sich ein Tross tapferer, verwundeter Recken auf den mühevollen Rückweg zum Herzogslager.

Im Lager angekommen, wurden wir von einer Heilerin und dem Hofmedicus versorgt. Während wir uns von den Strapazen erholten, schlug ein fahrender Alchemistenhändler sein Lager auf, und bot seine Tränke, Tinkturen und Salben gegen seltene Kräuter feil. Besonders abgesehen hatte er es auf die so genannte Hexennase, die an Bachläufen wuchs. Als ich später am nahen Bachlauf eben diese zufällig neben dem Weg wachsen sah, riss ich sie aus dem Boden und tauschte sie gegen zwei Heiltränke beim Alchemisten ein. Später in der Nacht war ich richtig froh, dass ich einen Heiltrank nehmen konnte. Doch dazu in einigen Zeilen mehr.

Nun herrschte reges Treiben um den Stand des Alchemisten, an welchem es seltsam aus skurril geformten Glasfläschchen blubberte. Es war sicherlich gefährlich. Man weiß ja nie, ob einem da was um die Ohren fliegt. Aber gleichzeitig war es auch bezaubernd, die bunten Tränke anzusehen. Gegend Abend hin reiste der Alchemist weiter. Wohin wusste man genau so wenig, wie woher er gekommen war.

Das Abendessen mundete vorzüglich und ich war schon auf dem Weg, um mir einen Nachschlag geben zu lassen, als der Herzog, der ebenfalls in unserer Runde um die Feuerstelle aß, hustete und nach Luft röchelte. Der Hofmedicus wurde herbeigerufen, und kam aufgrund seines hohen Alters recht spät. Der Medicus stellte eine Vergiftung fest, die scheinbar bei der Fülle des Herzogs, jedoch nicht ihre volle tödliche Wirkung entfalten konnte. Den Zwölfen sei Dank! Allerdings verordnete der Medicus seinem Herrn strikte Ruhe, sodass dieser sich für den Rest des Tages in sein Zelt zurückzog.

Einer unserer Mistreiter am Feuer hatte zuvor beobachtet, wie ein Gardist, der das Essen dem Herzog brachte, irgendetwas in dessen Essensschale geschüttet hatte. Nach seinem Hinweis wurde der Gardist auf der Stelle festgesetzt und in das weiß-rote Zweimastzelt gebracht. Jetzt war die Stunde von Dolor, des Herzogs Henker und Foltermeister, gekommen. Lange klangen an diesem Abend noch die erbärmlichen Schreie aus dem Zelt, als der Folterknecht seine blutige und grausame Arbeit begann. Zwanzig Hiebe sollte er bekommen, aber Dolor verzählte sich des Öfteren, und am Ende waren es gut das Doppelte. Der Reihe nach kamen Gardisten aus dem Zelt und übergaben sich. Einer regte sich tierisch auf, weil er dazu verdonnert war, das Zelt nachher wieder zu säubern. Welch undankbare Aufgabe. Man sollte es kaum für möglich halten, aber der Gefolterte hatte es schwer verletzt überlebt und durfte unter der Gnade des Herzogs, und - wie ich am nächsten Tag erfuhr - wegen Thalantyr - weiterleben. Der Hofmedicus nahm sich in der Nacht seiner an. Thalantyr wollte zum einen herausfinden wer hinter dem Anschlag stecken könnte und zum zweiten, … naja ist er Schwarzmagier. Ich vermutete dass wieder einmal der ehemalige Hofmagier dahinter steckte. Beweise wurden keine gefunden; und der Auftraggeber des Gardisten war schwarz gekleidet und vermummt gewesen, so der Foltermeister. Das Gift kam höchstwahrscheinlich vom Alchemisten.

Kurz bevor Praios seine allerletzten Strahlen aussandte hörte man Kreischen und Gejohle rings um das Lager. Es waren Goblins, genauer gesagt Schwarzgoblins - wie wir jene Rotpelze nun nannten, die Thagorn dienten. Sie wurden schnell vertrieben. Einige Augenblicke später sahen wir, wie Schwarzgoblins, die an ihrer Zeichnung auf der Stirn schnell zu erkennen waren, andere Rotpelze ohne ein solches Zeichen auf die Lichtung jagten. Der Herzog ließ der Abenteurer wegen Gnade für die verfolgten Goblins gewähren. Die Verfolger wurden erschlagen oder flohen. Die beiden geflohenen Rotpelze waren total erschöpft und bekamen Wasser und Essen angeboten. Sie waren sehr verängstigt, fassten aber nach und nach wieder Mut und begannen unsere Fragen zu beantworten. Wir wollten wissen, ob sie die Zeichen auf den Ruinen lesen oder deuten könnten. Sie konnten es nicht, aber einer erzählte von einem Goblinorakel, das in der weiteren Umgebung leben sollte. Dort könnte man Auskunft erhalten. Er versprach uns als Zeichen seiner Dankbarkeit dorthin zu führen.

So bereiteten wir uns notdürftig vor und brachen, fast ohne Fackel und Kerzenlaternen auf. Der Goblin hatte es mächtig eilig und so marschierten wir trotz der vorgerückten Stunde los. Vom herzöglichen Lager ging es am anderen Lager vorbei die Höhen efferdwärts hinauf, wo schon gestern der Hexenzirkel auf dem Berg war. Der Marsch war anstrengend und als wir dem Orakel näher kamen, verließen wir die Waldwege und schlugen uns durch enge und morastige Pfade.

Plötzlich hörten wir laute Rufe, aus einem steinernen Gewölbe, welches zur Linken unseres Weges lag. Ein Borongeweihter wurde von Untoten bedrängt, die er eigentlich zu bekämpfen suchte. Wir sprangen ein und halfen ihm. Ich stürzte mich trotz meiner Wunden in den Kampf. Es kam zum Nahkampf und ich spürte den üblen Gestank in meinem Gesicht, als mich der Untote kurz umklammerte, bevor er zu Boden ging. Welch Schreck überkam mich. Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter. Ich befürchtete das Schlimmste und kurze Zeit später brach ich kraftlos zusammen. Thoran kümmerte sich um mich. Ich nahm einen Heiltrank ein, und wenig später ging es mir wieder einigermaßen, so dass ich weiter marschieren konnte. Der Boroni, der hier eine alte Gruft der Theaterritter betreuen wollte begleitete uns fortan.

Weiter ging es, steil einen Abhang hinab und dann standen wir vor einer Grotte, die in Stein eingefasst war, doch der Goblin, der uns führte brach weinend zusammen, denn das Orakel, lag erschlagen vor dem Eingang. Der Weg war umsonst. Enttäuscht machten wir eine kurze Rast, bevor wir uns auf den Rückweg begaben. Der Goblin meinte nun, dass es nur noch eine Hoffnung gebe: Die Kunga Suula!

Wer diese Kunga Suula tatsächlich war, konnte uns niemand mit Sicherheit sagen. Anscheinend ist sie so eine Art Oberschamanin aller Goblins. Andererseits gibt es Aufzeichnungen der Theaterritter, die beschreiben, dass eine Goblinschamanin namens Kunga Suula ihnen das Leben schwer machte - und das war vor über einem halben Jahrtausend.

Tatsächlich kam am späten Abend ein Goblin in unser Lager, der uns aufforderte ihm zu folgen. Er schien sehr aufgeregt. Er führte uns tief in den Wald hinein. Wir mussten unter umgestürzten Bäumen hindurchkriechen und über Felsen klettern, ehe der Goblin plötzlich verschwunden war. Durch das Dickicht sahen wir Lichter schimmern. Wir traten vorsichtig heran. Es waren Kerzen aufgestellt und am Fuße eines hohen Felsens warteten wir gespannt auf die Worte der Schamanin. Schließlich erschienen dort oben zwei Gestalten. Eine von ihnen war die uns bereits bekannte Schamanin des hiesigen Goblinstammes. Die andere hielt sich im Hintergrund und war für uns kaum zu erkennen - offensichtlich Kunga Suula selbst. Mit uns redete ausschließlich die Schamanin. Sie erklärte uns, dass die Kunga Suula sehr ungehalten darüber wäre, dass wir Menschen Thagorn erweckt hätten und so unvorstellbares Leid über die Goblins, Menschen und anderen Bewohner des Überwals gebracht hätten. Ein Vorwurf, der an jene Abenteurer im Gefolge des Herzogs gerichtet war, die schon länger auf Thagorns Spuren wandelten. Dann ergriffen die Magister Davor und Naryador das Wort und verhandelten: Sie gestanden ihre Schuld ein, das Ritual zur Bannung Thagorns gestört und dabei versagt zu haben, die Siegelsteine an Thagorns Verbannungsort direkt zu erneuern. Sie baten die Kunga Suula um Unterstützung dabei, Thagorns Rückkehr zu verhindern. Doch diese schien sich lange bitten zu lassen, ehe sie schließlich einwilligte.

Sie erklärte uns auch das Artefakt, das bei den Ruinen stand. Die Kristallkugel sei das Schwarze Auge des Thagorn gewesen, mit dem er einstmals unbegrenzt in Zeit und Raum blicken konnte. Die antimagische Kuppel sei geschaffen worden, um die Funktion des Artefaktes zu lähmen und gleichzeitig ihm und seinen magischen Dienern den Zutritt zu verwehren. Seit jedoch die Kuppel zerstört, worden sei, gebe es kein Hindernis mehr für seine Diener und auch sein Blick könne das Auge wieder erfassen.

Des weiteren wurde uns erklärt, dass Thagorn nicht getötet werden könne. Die einzige Möglichkeit bestünde darin, ihn erneut zu bannen. Dazu müssten erneut sechs Siegel erschaffen werden, die niemals mehr zerstört werden dürften. Hierfür wäre ein Ritual zu organisieren, zu welchem wir seltene Zutaten sammeln müssten: Eine Alraune, Krötenschleim, gelbe Pilze und magisches schwarzes Erz. Wir sollten zurückkehren sobald wir alles hätten, dann würde das Ritual beginnen, um die Siegel weihen zu können.



27. Praios 32 Hal


Am nächsten Morgen wurde uns von unseren Gefährten aus dem Lager des Herzogs berichtet, dass in der Nacht ruhelose Geister in ihrem Lager erschienen wären, die sie um den Schlaf gebracht hätten. Allerdings hätte man von ihnen auch erfahren, dass sie vor einer Nacht von einem bösen Wesen aus ihrer Heimat, der Ruine von Burg Eichenstein vertrieben worden wären. Nicht ohne Grund vermuteten wir, dass es sich bei diesem bösen Wesen um Thagorn handeln könnte.

Außerdem erzählten uns die Gefährten, dass sie auf einen offensichtlich göttlichen Fingerzeig des Boronis hin in den frühen Morgenstunden zu einem naheliegenden Schlachtfeld aufgebrochen wären, wo sich dann tatsächlich gerade Untote aus ihren Gräbern erhoben hätten.

Anschließend machten wir uns sofort auf die Suche nach den Ritualgegenständen. Amarie und Peredhil hatten in Windeseile die Alraune und gelbe Pilze von zwei Druidinnen bekommen. Krötenschleim sollte sich an Bachläufen finden können. Aber wo gab es schwarzes Erz? Wir gingen in das herzögliche Lager und fragten den Ingerimmgeweihten und Dolgan Rotbart, einen Zwerg, danach. Es handelte sich um ein äußerst seltenes magisches Metall, aus welchem scharfe Waffen in schwarzer Legierung hergestellt werden konnten. Schließlich kam die Vermutung auf, dass sich dieses Erz an dem See befinden könnte, nach dem wir gestern schon gesucht hatten. So brachen wir um die Praiosstunde auf. Diese Mal nahmen wir die richtige Abzweigung und waren nach eineinhalb Stundengläsern an dem See angelangt. Die beiden Elfen hatten ihn tief im Wald versteckt, entdeckt. Wir begannen nun das steil abfallende Ufer abzusuchen. Ich war von der Schönheit des Sees und des klaren grünen Wassers angetan. Wir fanden das schwarze Erz schließlich in einer Felsader, die ein Abrutsch erst vor wenigen Götterläufen freigelegt haben mochte. Und nicht nur einen, sondern ein halbes Dutzend rund geformter Erzklumpen hielten wir in unseren Händen. Der Ingerimmgeweihte, der uns begleitete, nahm einen von ihnen an sich, um ihn dem Notmärker Tempel zukommen zu lassen. Auf dem Rückweg begegneten wir zwei Hexen, die uns ihren Krötenschleim überließen. So hatten wir nun alle Gegenstände für das Ritual zusammen.

Die Goblins wurden gerufen und wir sammelten uns daraufhin an den Ruinen der Goblinstelen, um Kunga Suula bei dem Ritual zu unterstützen. Es dauerte eine Weile, sie braute und zauberte seltsame Dinge. Unsere Magier, Thalantyr, Thoran, Naryador standen rings um Kunga Suula und hielten silberne Becher in ihren Händen. Auch sie waren in das Ritual einbezogen. Thoran brach nachher kurzzeitig zusammen, weil es ihm zuviel Kraft gekostet hatte und auch die anderen sagten, es hätte sie viel Kraft gekostet.

Ausgerechnet als sich das Ritual seinem Höhepunkt näherte, tauchten am unteren Ende der Wiese plötzlich untote Gestalten in stattlicher Anzahl auf; zwei Banner mit dem finsteren Thagorn-Auge vor sich hertragend. Welch ein Schreck. Thagorn musste das Ritual gespürt haben. Wir griffen zu den Waffen, sammelten uns und stürmten in die Schlacht. Es war ein grausames Gemetzel, die Untoten waren nicht einfach tot zu kriegen. Selbst wenn man sie bezwungen glaubte und sie am Boden lagen, erhoben sich die halb zerschmetterten oder kopflosen Gestalten wieder. Es machten sich gar Arme und Beine selbstständig um noch einmal die Waffe gegen einen tapferen Recken zu erheben. Unter den Angreifern waren auch Priester des Thagorn, von denen uns die anderen Abenteurer schon berichtet hatten: In nachtschwarze Kutten gehüllte, gesichtslose Gestalten, die ein Hauch von wallender Finsternis umgab. Sie zauberten in einer grausigen, fremdartigen Sprache gar schreckliche Qualen auf uns. Ich versuchte einen zu jagen, aber er entzog sich mir mittels einer unsichtbaren magischen Wand, die mich mit schmerzhafter Wucht zu Boden riss. Den Zwölfen sei Dank, besiegten wir die Unholde schließlich und retteten das Ritual.

In dem Ritual wurde eine magische Flüssigkeit gebraut und geweiht, welche die Siegel aktivieren sollte. Der Ort, wo die Siegelsteine, angebracht werden sollten, war uns noch nicht genau bekannt, aber immerhin hatten wir eine Vorstellung davon, wo Thagorn sich aufhalten könnte: Die Ruine Eichenstein, eine alte Feste der Theaterritter. So nahm nun jeder der Magier einen silbernen Kelch mit sich.

Als man sich vom Ritual und Kampf erholt hatte und ein Teil ins untere Lager aufbrechen wollte, fand der Spuk von vorhin eine Wiederkehr, und wieder strömten unzählige Untote und Thagornpriester auf die kleine Waldlichtung. Nach hartem Kampf obsiegten wir erneut, doch einige unsere Gefährten lagen verwundet am Boden und erbaten Heilung. Ich gab einen Heiltrank dem bornischen Krieger. Er bedankte sich.

Gemeinsam begaben wir uns nun ins herzögliche Lager, um uns zur letzten entscheidenden Schlacht gegen Thagorn zu versammeln. Die Kunga Suula wollte mit ihren Goblins später wieder zu uns stoßen. Als der Abend hereinbrach nahmen wir noch eine deftiges Abendessen ein. Zum letzten Mal sammelten wir unsere Kräfte. Der Herzog teilte seine Hauptleute und Gardisten ein.

So brachen wir mit den letzen Praiosstrahlen des Tages auf. Zwei Züge verließen das Herzogslager: Der Ingerimmgeweihten zog mit uns auf einem steinigen und steilen Pfad zum felsigen Bergkamm empor, da sich dort ein heiliger Ort seines Gottes befand, an dem er noch einmal um überderischen Beistand bitten wollte, während der Herzog von Waldmark selbst mit seinen Mannen den bequemeren und für schwer gerüstete besser gangbaren Weg über eine Passstrasse gen Firun wählte und später wieder zu uns stoßen wollte.

Mit uns zogen auch zwei Elfen, die wir vorher nie gesehen hatten. Unsere elfischen Gefährten - neben Peredhil und Amarie waren auch unter den Abenteurern im Herzogslager noch zwei Angehörige des alten Volkes - hatten die fremden Elfen wohl dazu überreden können mit uns zu ziehen und uns beizustehen.

Kurz unterhalb des Bergkammes begegneten wir einem Dschinn des Erzes, welcher uns klagte, dass er aus der Ruine Eichenstein vertrieben worden sei. So hatte er nun an dieser Felsgruppe ein neues Zuhause gefunden. Daraufhin führte uns der Ingerimmgeweihte zu dem heiligen Ort des Schmiedegottes, von dem er bereits berichtet hatte. An einer Art natürlichem Schrein ließ er uns alle niederknien. Im Namen Ingerimms weihte er in einer feierlichen Zeremonie die Waffen von vieren unserer Gefährten, darunter die des bornischen Krieger, wie auch jene Dolgan Rotbarts, des Zwergen. Er beschwor die heilige Kraft Ingerimms und segnete alle Krieger in seinem Namen und im Namen der Zwölfgötter. Die Hesindegeweihte unterstützte ihn bei seiner Liturgie.

Danach brachen wir auf. Wir folgten nun stets dem Gebirgskamm. Aus Wegen wurden Pfade, auf denen wir über viele Wurzeln und Steinbrocken steigen mussten. Von Zeit zu Zeit, wenn die Bäume ein wenig zurücktraten, konnten wir einen Blick über das tief unter uns liegende Flachland erhaschen. Die Elfen eilten meist voraus und spähten. Es ward schon dunkel als wir die Passstrasse wieder erreichten und dort auf die Truppen des Herzogs stießen, der einen großen Teil seiner Kampfkraft eingebüßt hatte und von einem Hinterhalt auf einem Hohlweg berichtete, in welchen er geraten war. Ein allerletztes Mal stärkten wir uns und ruhten eine Weile. Der Herzog erklärte uns die Burg und legte die Kampftaktik fest. Ein harter Kern von starken Kämpfern sollte sich eine Gasse durch die Untoten schlagen, um einen Weg für die nachfolgenden Magier frei zu kämpfen, damit die Siegelsteine ausgelegt werden konnten. Weitere Kämpfer sollten dann die Magier mit ihren Kelchen an den Orten der Siegel bewachen, bis alle platziert waren. Nach einer langen Zahlenschleife wollte man bei dem Kommando „Jetzt“ die geweihte Flüssigkeit in die Kelche gießen - alles zur gleichen Zeit, wie uns die Kunga Suula eindringlich ermahnte. Denn dieser Punkt war es, der im Bergwerk nicht beachtet worden war und die Mission zum Scheitern verurteilt hatte.

Die letzten Befehle waren gegeben und der Tross brach halbwegs geordnet zu dem letzten Abstieg gen Burg auf. Der Weg war schmal, sodass wir fast alle hintereinander gehen mussten. Jeden Moment konnten sich die Burgmauern erheben und Untote und Thagornanhänger über uns herfallen. Den letzten Weg führte der Herzog, die Schildträger an seiner Seite, die Streitmacht in die Burg hinein. Und schon entbrannte ein heftiger Kampf gegen viele Untote, die den Eingang bewachten. Aber nicht nur Untote in Rüstung kämpften gegen uns, sondern auch Dämonen waren unter ihnen, gegen welche die meisten Waffen unserer Gefährten überhaupt nichts ausrichten konnten. Der harte Kern um den Herzog schlug sich tapfer Schritt für Schritt voran.

Schließlich waren die Untoten am Eingang besiegt und es ging auf engen Pfaden durch die weitläufige Anlage, die nur schwach beleuchtet war. Zur linken ragte plötzlich ein Turm auf, auf welchem ein Schattenpriester Thagorns unheilige Zauber auf uns schleuderte und die Untoten wohl erneut erwecken wollte. Doch der Ingerimmgeweihte stürmte heldenmutig hinauf und beendete den Spuk, indem er seinen Gott um Unterstützung gegen den unheiligen Priester anrief. Blendende Funken sprühten plötzlich auf und tauchten den Turm in gleißendes Licht. Von der alptraumhaften Schattengestalt des Thagornpriesters blieb allenfalls ein Häufchen Asche. Man jubelte lautstark. Doch die Schlacht war noch nicht geschlagen, und noch kein Siegel war an seinem Ort. Wir mussten tiefer in das Herz der Anlage vordringen.

Endlich kamen wir in Sichtweite des Bergfrieds. Doch leider mussten wir feststellen, dass dieser auf einem äußerst verwinkelten Felsmassiv thronte, welches für meinen Geschmack viel zu viele Spalten und Klüfte aufwies. Den Eingang zur linken Seite versperrte uns eine schwarze Gestalt. Doch einige Kämpfer unter uns, die aus dem fernen Maraskan stammten, und von den man nicht wusste, ob man ihnen trauen konnten, überwältigten den Wächter mit List und Tücke. Am Ende ging dieser zu Boden und der Weg ward frei, um die innere Burg zu stürmen. Vor dem Eingang befand sich der erste Ort wo ein Siegelstein angebracht werden musste. Genau da erschien zu unser linken eine schwarze Gestalt ohne Gesicht, jedoch mit rot glühenden Augen - ein Dämon. Er bewegte sich langsam auf uns zu. Wir wollten schon auf ihn losstürmen, als es hieß er gehöre zu uns, er kämpfe auf unserer Seite. Bei den Zwölfen was war das?

Der Schwarzmagier Thalantyr musste irgendeinen verhexten Zauber gewirkt haben. Er war tatsächlich Herr über den Dämon. Man konnte die Zweifel in den Gesichtern der tapferen Recken erkennen, die hier für eine zwölfgöttergefällige Sache stritten. Der Elf sprach aus, was nicht alle, aber viele dachten: „Wie könnt ihr es wagen, so ein dunkles Wesen zu beschwören, …“ Wütend beschimpfte er den Magister und es bedurfte eines Machtwortes des Herzogs, welcher entschied, dass der Dämon kein Kampfgefährte sein dürfe und verschwinden müsse. Thalantyr gehorchte und sandte den Dämon in seine Sphäre zurück.

Der Magister blieb nun mit ein paar Kämpfern zurück, um das erste Siegel anzubringen. Wir schlugen uns weiter durch. Wenige Schritte und wir befanden uns zur linken des Burgfrieds, aus den dessen Spitze eine kalte klare Stimme drang. Es war die Stimme Thagorns, die uns verhöhnte, nur um uns im nächsten Moment voll Tücke einen Pakt anzubieten. Es war nun höchste Eile geboten und man überholte sich gegenseitig um als erstes den engen Zugang zum Bergfried zu bestürmen. Schnell staute sich die kämpfende Menge. Aus dem Inneren waren heftigster Kampflärm und Schreie zu hören. Auch die Stimme der Kunga Suula erklang, welche uns versprochen hatte, Thagorn abzulenken und zu beschäftigen. Sie stand auf einem Felsen, dem Bergfried direkt gegenüber. Gerade als ich hochblickte, detonierte dort ein gewaltiger Feuerball mit einem lauten Knall. Nur Augenblicke später war der Bergfried von silbern zuckenden Blitzen erneut taghell erleuchtet.

Ich schlug mich mit einigen übrigen Kämpfern immer weiter um die Burgmitte herum, um die restlichen Siegel anzubringen und zu bewachen. Die Siegel mussten rings um den Bergfried und Thagorns Stätte angebracht werden. Als der Ring geschlossen war hörte man immer noch Kampflärm im Bergfried und die Stimme von Kunga Suula in der Spitze des Bergfrieds. Als ich den Bergfriedfelsen endlich umrundet hatte, fiel ich einigen Untoten in die Seite, die gerade wieder ein Siegel bestürmten. Für die wenigen Bewacher dieses einen Siegels war es buchstäblich eine Rettung im letzten Augenblick.

Schließlich hatten die Magier ihre Positionen eingenommen, die Kelche waren postiert. Nun war es an der Zeit den Schrecken von Thagorn ein für alle Mal zu bannen. Ringsum ertönten die Rufe und Fragen, ob alles bereit sei, und als es soweit war, begann man die Zahlen rückwärts zu zählen. Jeder wartete gespannt auf das Kommando „Jetzt“, und als der Ruf erklang, ergossen sich in jedem Kelch zu gleicher Zeit das geweihte Wasser aus dem Ritual. Funken sprühten vom Bergfried, als die Magie des Rituals und des Wassers aus den Kelchen gegen Thagorn zu wirken begann. Lange noch heulten traurige Schreie, aus dem Inneren des Bergfrieds. Es war vollbracht. Thagorn war besiegt.

Jeder wollte sich jetzt einen Blick vom Bergfried verschaffen und wissen was sich dort ereignet hatte. Als ich die Treppen hinaufgestiegen war, war fast kein durchkommen mehr, denn der ganze Wachraum lag voll mit Untoten und gefallenen und schwerstverwundeten Kämpfern. Der Hofmedicus des Herzogs eilte herbei, doch einen der Maraskaner kam jede Hilfe zu spät und sein Freund weinte bitterlich um ihn. Ich stieg über die Gefallenen hinweg und gelangte über eine steile Wendeltreppe zur Spitze hinauf. Da lag er, in der obersten Kammer, des Bergfrieds: Thagorn! Ruhig, und so schien es mir, wenn mich meine müden Augen nicht täuschten, friedlich schlafend. Thagorns Antlitz werde ich nie mehr vergessen können. Dass das Böse einen so zu Täuschen vermag.

Der Borongeweihte, den wir auf dem Weg zum Orakel getroffen hatten, den Visionen Bishdariels von Untoten in den Überwals geführt hatten, lag tot neben ihm. Der Raum war jedoch bereits von der Kunga Suula versiegelt und so konnte man ihn nicht mehr betreten. Möge Thagorn nun nie mehr erwachen und möge alle Zeit der Herzog von Waldmark eine Wache für Eichenstein entbehren, so wie er es geschworen, um die Gefahr für immer zu bannen. Niemand im Überwals soll vergessen, was sich in diesen schrecklichen Tagen ereignet hatte. Niemand soll darüber freveln und wer das Schwert oder den Stab noch einmal für Thagorn erhebt, der hat im Angesichte der Zwölfgötter sein Leben verwirkt und muss mit dem Tode bestraft werden.

Der Herzog erklärte sich bereit den Goblins ein Stück von seinem Land zu überlassen, wenn sie im Gegenzug die Überfälle auf seine Bauerngehöfte einstellen. So endet die Geschichte - vorerst.


Für Rondra und im Glauben an die Zwölfgöttlichkeit


Burian von Eichenfold, Abgänger der Akademie Schwert und Schild zu Baliho

geschrieben von Ralph Müller

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