Am Rande der Finsternis

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Bericht über "Am Rande der Finsternis" 28.7.-31.7.2001

Magister Naryador Serendican, Magister vom ewigen Konzil der elementaren Gewalten, Diener des Feuers

Trutzburg, 2. Rondra 29 Hal

Werter Großmeister di Ariarchos,

gar bedeutsame Dinge haben sich zugetragen, seit ich Euch zuletzt Bericht erstattet habe. Es ist wahrlich kein Wunder, dass die Menschen hier, an der Grenze zu den schwarzen Landen, sich bisweilen am Rande der Finsternis wähnen. Aufgrund der Bedeutung der Ereignisse halte ich es für überaus wichtig, dass Ihr von diesen Ereignissen sobald als mölich Kenntnis erlangt selbstverständlich werde ich Euch bei meiner nächsten Rückkehr nach Drakonia aufsuchen, um die Sache mit Euch nochmals zu besprechen.

Für mich begann das Ganze damit, dass ich einen Brief von der KGIA erhielt. Es handelte sich um eine Mission, die an die Grenze zu den schwarzen Landen führte, wo unter bis dorthin ungeklärten Umständen ein gewisser Oberst Alrik vom Blautann und vom Berg verschwunden war. Eine erste Suchexpedition, so hieß es, sei ebenfalls verschollen. Darunter habe sich auch ein gewisser Dolgan Rothbart befunden. Möglicherweise erinnert Ihr Euch daran, Dolgan ist einer meiner ältesten Gefährten; so war es zum Beispiel mit ihm gemeinsam, dass vor Jahren Elidan Gilindors Ritual zur Beschwörung eines Vielgehörnten verhindert werden konnte.

Nun, ich hatte keine Wahl. Ich machte mich also auf den Weg, und begann alsbald mit weiteren von der KGIA angeheuerten Recken die lange und beschwerliche Reise auf dem Landweg nach Norden. Zu meiner Überraschung war es der KGIA gelungen, einen weiteren Magus unseres Konzils für ihre Sache zu gewinnen: es handelte sich dabei um Davor, einen Schüler von Rowena von Shamahan.

Schon auf dem Weg zu dem militärischen Lager, von welchem aus wir mit unserer Suche beginnen sollten, zeigt sich die Nähe zu den schwarzen Landen. Wir wurden von Borbaradianern überfallen, die uns sowohl zahlenmässig, als auch von der Bewaffnung her weit überlegen waren. Nur dem Überraschenden Eingreifen eines unbekannten Magiers, der den Gegner eigenhändig in die Flucht schlug, war es zu verdanken, dass wir das Lager schließich ohne Verluste erreichten.

Doch dieses war verwüstet. Der einzige überlebende des Lagers, ein Medicus, berichtete uns, dass das Lager am Vortag von Borbaradianern überfallen worden war. Er selbst hatte nur deswegen Überlebt, weil er zum Zeitpunkt des Überfalls Kräuter suchen war. Wir waren kaum angekommen, da erreichte eine weitere Gruppe das Lager. Ihr könnt Euch meine Erleichterung sicher vorstellen, als ich Dolgan unter den Ankommenden erkannte. Was er zu berichten hatte, war dafür um so beunruhigender: Er konnte sich - mit Ausnahme der letzten Stunden - an kein Ereignis der letzten zwei Wochen erinnern! Weder eines Auftrags im Namen der KGIA noch einer Reise in die Grenzgebiete konnte er sich entsinnen. Und er war damit nicht alleine! Von ähnlichen Gedächtnislücken berichteten Rashid (ein tapferer Sohn Rastullahs), Kassandra (die wohl gerade dabei war, das Magierhandwerk zu erlernen) sowie eine weitere junge Frau. Nur einige Bilder hatten sie noch im Kopf; eine Brücke, eine Steinstatue und eine Burg glaubten sie vor kurzem gesehen zu haben.

Eine etwas später eintreffende Gruppe unter Führung eines Hauptmanns der Armee des Mittelreiches berichtete von einer Vampirjägerin, die sie tot am Wegesrand aufgefunden hatten. Mit charakteristischen Bisswunden am Hals; es schien fast so, als sei sie genau dem zu Opfer gefallen, was sie zu bekämpfen sich zur Aufgabe gemacht hatte. Dies beunruhigte uns weiter. Die einzige gute Nachricht dabei war, dass diese Gruppe einen Geweihten der Rondra bei sich hatte, der der Verstorbenen letzte Ruhestätte segnen konnte. Den Zwölfen sei gedankt! Mittlerweile hatte sich eine durchaus ansehnliche Anzahl von Personen im Lager angesammelt. Immerhin vier Magier (Thalantyr aus Fasar, einer aus Kuslik, mein Kollega Davor und meine Wenigkeit); einige Mitglieder der Armee (der erwähnte Hauptmann, und der Medicus des Lagers), sowie der Rondrageweihte, Dolgan, Rashid, Sania (die mit ihrer kleinen Tochter Ronja unterwegs war) und zwei Barbaren aus dem fernen Gjalskerland. Alles in allem dürften es wohl um die 25 Personen gewesen sein. Und diese Anzahl sollte sich bald als bitter notwendig herausstellen.

Der Abend begann ganz harmlos mit einem Besuch von Meister Tamburin und seinem Wanderzirkus, die uns ein kurzes Theaterstück darbrachten, und anschließend mit allerlei Gaukeley dafür sorgten, dass wir kurzzeitig die bedrückende Lage vergessen konnten. Doch so geruhsam sollte es nicht weitergehen: Bragot und Hraror (die beiden Barbaren), die eigentlich schon den ganzen Abend am Rande unseres Lagers nach Feinden Ausschau hielten, konnten uns rechtzeitig vor einem Überfall durch Borbaradianische Schergen warnen. Der Kampf tobte durch das gesamte Lager; ich konnte ihren Anführer, einen Magier, ausfindig machen, doch als sich das Kampfesgeschick gegen sie wandte, sind sowohl der Magier als auch sein Leibwächter - ein wahrer Bär von einem Mann - mittels eines Transversalis Teleport entkommen.

Wir hatten uns noch kaum von der Anstrengung erholt, wurde unser Lager von einem wilden Vampir heimgesucht. Es schien fast, als könnten ihm Waffen nichts anhaben, und es wäre ihm fast gelungen, meinem Leben ein Ende zu setzen. Mir war nicht klar gewesen, dass sämtliche Gefährten die Verfolgung des Vampirs entweder aufgegeben hatten, oder einfach nicht schnell genug waren. Nun, ich denke, das hätte mein Ende bedeuten können, wären da nicht Bragot und Hraror aufgetaucht, um dem Vampir mit einem Pflock aus Eichenholz, den sie bei der toten Vampirjägerin vorgefunden hatten, den Todesstoß zu versetzen.

Das war aber noch längst nicht alles. Kurz nachdem ich mich schlafen gelegt hatte, kam der zweite Überfall der Borbaradianer, der ähnlich verlief wie der erste. Wenige Stunden später, während meiner und Dolgans Nachtwache, spukte ein Geist durch das Lager. Es war eine gar sonderbare Gestalt. In der Rechten trug sie eine Laterne; sie sprach nicht, war nicht stofflich und verschwand nach kurzer Zeit wieder im Wald. Ach ja, im Morgengrauen griffen erneut Borbaradiander an und entführten das Banner der Barbaren. Den Göttern sei gedankt, dass die Gegner diesmal nicht so zahlreich waren, denn nach der äußerst anstrengenden Nacht waren auch von unseren Streitern nur die Wenigsten durch die Alarmrufe wach zu bekommen.

Auch dieser neue Tag versprach wieder heiß zu werden. Die sengende Praiosscheibe stieg in den Himmel, und wir beschlossen, zügig aufzubrechen. Dabei teilten wir uns in zwei Gruppen auf: die erste, zu der ich gehörte, sollte einen alten Wachtturm untersuchen; die zweite Gruppe aber sollte Kontakt mit einer Gruppe von Freischärlern aufnehmen, von denen uns der Medicus berichtet hatte. Nun, wir fanden beim Wachtturm nur wenig Brauchbares, doch die zweite Gruppe kam mit interessanten Neuigkeiten zurück: Oberst Alrik vom Blautann und vom Berg war kurz vor seinem Verschwinden bei den Freischärlern gewesen, um sie zur Zusammenarbeit zu bewegen. Der Kriegsherr sei dann von düsteren Soldaten und Untoten Überfallen worden; die meisten konnten fliehen, doch der Oberst wurde gefangengenommen und verschleppt. Mit Hilfe der Freischärler gelang es unseren Gefährten auch, einen Versorgungstrupp der Borbaradianer zu Überfallen und dabei mehrere Flaschen Met zu erbeuten!

Uns blieb nur übrig festzustellen, dass die Borbaradianer, die ganz offensichtlich ein Lager in der Nähe hatten, im Moment unser vordringlichstes Problem darstellten. Schließlich, so argumentierten unsere Strategen, wäre es doch geschickter, die Borbaradianer zu überfallen und ihr Lager zu vernichten, bevor sie uns des Nachts wieder mit einer Serie von Überfällen zermürbten. Und wir hatten Glück: unweit unseres Lagers konnten unsere Späher einige Borbaradianer beim Graben eines Loches beobachten. Als wir eintrafen, nahmen sie natrülich reißaus, doch ich konnte ihnen mit einem Visibili Vanitar unauffällig folgen. Was ich zu sehen bekam, gefiel mir überhaupt nicht: Das Lager der Borbaradianer! Mehrere Zelte, viele Bewaffnete, und Untote. Ich machte mich sofort auf den Rückweg, um die Anderen zu holen. Nun, es war ein dichter Wald, nicht die übersichtliche Gebirgslandschaft, die wir gewohnt sind, und ich kam vom Weg ab. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich zum Lager zurückfand, und es war so gut wie verlassen! Die Anderen, wurde mir mitgeteilt, hätten mittlerweile das Lager der Gegner ebenfalls gefunden, und seien dorthin gezogen. Wir eilten hinterher, da kamen sie uns aber bereits wieder entgegen. Die Gegner seien zu viele, und zu gut gerüstet, berichteten sie; nur mit einer Wand aus Luft hatte Davor die Flucht sicherstellen können. Doch uns war klar, dass sie uns alsbald folgen wrden. Wir beschlossen, sie an einer kleinen Hecke zu erwarten, und ihre Streitmacht mit einer Wand aus Luft zu teilen. Diesmal gelang der Plan, und wir konnten die große Mehrheit der Feinde außer Gefecht setzen. Boron sei ihrer Seelen gnädig. Dann stürmten wir das Lager der Borbaradianer, wo unter anderem noch ihr Magier mit seinem Leibwächter war. Der Kampf war heftig, aber kurz.

Zurück in unserem Lager wälzten wir Unterlagen, die wir dem Feind abgenommen hatten. Was wir fanden, ließ uns erschauern. Die Borbaradianer waren auf der Suche nach einem gar verderbten Artefakt gewesen, nämlich einem Kelch, nach dem sie im Auftrage ihres Herrn (Lord Thargun, auf der Trutzburg) gruben.
Wie es schien, würde derjenige, der aus diesem Kelche das Blut eines anderen Wesens tränke, dessen Naryakis in sich aufnehmen. Welch schauderhafte Vorstellung! Zumindest war der Kelch noch nicht gefunden worden. Aufgrund des Gefüges der Kraftlinien kamen aber nur wenige Orte in Frage, und an allen davon - bis auf an einem - hatte die Borbaradianer bereits (vergeblich) danach gegraben. Somit blieb nur ein Ort übrig, und wir beschlossen, ihn uns am nähsten Morgen anzusehen.

Während wir noch unsere Fundstücke untersuchten, erhielt unser Lager weiteren Besuch. Es war ein Magier, der sich Thalion Tiefental nannte. Es verging einige Zeit, bis wir sicher waren, ihm vertrauen zu können, und es hätte noch viel länger dauern können, wenn wir nicht plötzlich seinen Magierstab wiedererkannt hätten. Es schien sich tatsächlich, wenn auch mit geänderter äußerer Erscheinung, um den Magus zu handeln, der uns bei unserer Anreise gegen die Borbaradianer geholfen hatte. So begannen wir, mit ihm Informationen auszutauschen; auch das, was er uns mitzuteilen hatte, war höchst interessant. Er sagte, er sei auf der Suche nach dem Kelch auf der Trutzburg gewesen, wo mittlerweile ein mächtiger Erzvampir herrsche. Wahrscheinlich sei dieser, der dort vor vielen Jahren mit Hilfe von heiligen Praiosinsignien in seinen Sarg gebannt worden war, von unvorsichtigen Borbaradianern daraus wieder freigelassen worden. Im Kerker hatte er Alrik vom Blautann gesehen, doch dann sei er von Lord Thargun in einem Kampf beinahe bezwungen worden; er habe nur mit Hilfe eines Transversalis Teleport fliehen könen. Thalion Tiefental vermutete auch, dass diejenigen unter uns, die unter Gedächtnisschwund litten, auf der Suche nach Oberst Alrik bereits auf der Trutzburg gewesen seien, wo ihnen der Vampir die Erinnerung an die letzten Tage genommen und - aus einer Laune heraus - das Leben geschenkt hatte.

Wir einigten uns schließlich auf folgendes Vorgehen: Am nächsten Morgen wollten wir den Kelch aus seinem Versteck bergen. Nachmittags sollten wir - als Borbaradianer verkleidet - auf die Burg ziehen, und unauffällig nach den Praiosinsignien suchen. Denjenigen, die der Vampir bereits gesehen hatte, wollte Thalion Tiefental mittels Impostoris Imagotin eine andere Gestalt verleihen. Er selbst würde erst später nachkommen, dass die Gefahr zu groß sei, daß Lord Thargun ihn durchschaue.

Wenn wir jetzt dachten, damit wäre der Tag beendet, so irrten wir uns damit: Nach Einbruch der Dunkelheit marschierte eine Horde von Zombies durch unser Lager, und zu später Stunde tauchte wieder die geisterhafte Erscheinung mit der Laterne auf. Doch diesmal sprach die Gestalt zu uns: es handelte sich um die verirrte Seele eines Ingerimm-Geweihten. Er könne seine Ruhe nicht finden, da sein Tempel von unheiligen Wesen geschändet und besetzt worden sei, und er bitte uns, ihm zu helfen. Und das taten wir dann auch. Allen voran Dolgan, der den Frevel an Angroschs Tempel nicht so hinnehmen wollte, und der Medicus, der den Weg gut zu kennen schien, marschierte etwa ein Dutzend von uns dem Geist hinterher. Welche Strapazen! Es ging in hohem Tempo den Berg hinauf, die Felder entlang, und - schließlich - auf den Tempel zu. Über uns sahen wir stets die Silhouette der Trutzburg emporragen. Wir betraten den Tempel vorsichtig, und wurden von zwei Heshtotim mit glühend roten Augen überfallen. Ich versuchte einen davon zu bannen, doch der üble Einfluss der schwarzen Lande war wohl zu stark. Den Kriegern gelang es, diese widernatürlichen Kreaturen zu besiegen. Anschließend weihte Dolgan Rothbart den Tempel wieder Ingerimm, und der Geist des Geweihten war frei. Dolgan erkannte übrigens das Standbild des Ingerimm als jene Steinstatue, die seinen Gedächtnisverlust überdauert hatte. Kein Wunder, so beeindruckt wie er davon gewesen sein musste.

Am nächsten Morgen machten wir uns mit Thalion Tiefental auf den Weg, den Kelch zu suchen. Noch war die Hitze zu ertragen, und rasch erreichten wir eine kleine Steinhöhle, vor der ein verwirrter Diener Borons saß. Bragot und Hraror, die beide in der Nacht zuvor mit am Ingerimms Tempel gewesen waren und Ingerimms Segen empfangen hatten, wurden schnell fündig, so dass wir uns mit dem unheiligen Artefakt auf den Weg zurück ins Lager machen konnten, um den Plan ein letztes Mal durchzugehen.

Weil ja Thalion nicht direkt mit auf die Trutzburg kommen sollte, gab er mir den Kelch mit. Der Plan sah vor, ihn dem Vampir als Willkommensgeschenk zu überreichen, damit Lord Thargun abgelenkt sei, und unsere Suche nach den Praiosinsignien ungestört von sich gehen könne. Uns war allen bewusst, dass dies ein gewagter Plan war, doch es war so nötig. Außerdem sollte ich für Thalion Tiefental den Verwandlungszauber (Impostoris Imagotin) auf die Personen legen, die der Vampir bereits kannte. Hierzu übertrug Thalion mir die erforderliche Zaubermatrix. Geschätzter Großmeister, ich habe noch nie jemanden zaubern sehen wie Thalion. Statt einen Spruch zu wirken glich das ganze eher einem Gebet an Hesinde; wir hatten es offensichtlich mit einem Freizauberer zu tun!

Wir warteten, bis des Praios Antlitz das Reisen wieder zuließ.
Kurz vor unserem Aufbruch musste ich feststellen, dass ich bestohlen worden war: der Kelch war weg! Soweit ich dies mit einem Odem Arcanum feststellen konnte, hatte ihn auch keiner unserer Leute bei sich. Damit wurde es um so dringender, die Sache hinter uns zu bringen, ehe der Verräter Lord Thargun vor uns erreichte und ihm eventuell von unseren Plänen berichtete. Mir gefiel das ganze immer weniger. Es war auch ein gar merkwürdiges Gefühl, mit borbaradianischen Uniformen und unter dem Banner der Blutrose über die Felder zu ziehen. Schweigend zogen wir dahin, und erreichten sie schließlich: die Trutzburg. Der Haushofmeister des Vampirs, ein Ghul, ließ uns ein, und versprach, seinem Herren von uns zu berichten. Wir sahen uns inzwischen um und sahen einen Gärtner, der zu verängstigt war, zu sprechen, einen finsteren Thargunitoth-Paktierer, der eine einfache Bauernmagd mit Zaubersprüchen quälte, eine junge Frau, die mit Bissmalen am Hals scheinbar willenlos durch die Burg lief, sowie (in einem Kerker) Oberst Alrik - nur die heiligen Praiosinsignien fanden wir nicht. Der einzige Ort, an dem wir nicht nachsehen konnten, war der Turm, in dem der Vampir seine Gemächer hatte. Am späten Nachmittag empfing uns Lord Thargun, der uns auf einen Begrüßungstrunk in den Speisesaal einladen wollte. Das sah ich als die Gelegenheit, und schlich mich - mittels eines Visibili Vanitar unsichtbar - in den Turm. Schon glaubte ich die Macht der guten Artefakte zu verspüren, da hörte ich Schritte hinter mir: es war der Ghul, und ich konnte nur mit viel Glück wieder aus dem Turm entkommen. Wie er das gemacht hatte, ist mir bis zum heutigen Tage nicht bekannt, doch irgendwie muss es gerochen haben, dass ich im Turm gewesen bin. Jedenfalls nahm er mich im Burghof beiseite, erzählte etwas von einer letzten Warnung, und - biss mich.

Durch diesen Schock völlig benebelt kehrte ich mit den anderen in den Speisesaal zurück, wo uns ein Abendessen serviert wurde. Eigentlich hätten uns diese Köstlichkeiten nach dem doch eher sparsamen Lagerleben vorzüglich munden sollen, doch alleine der Anblick des Vampirs verdarb uns den Appetit. Er ließ sich Wein servieren, und Thalantyr erkannte sofort den Kelch. Wer auch immer ihn gestohlen hatte, Lord Thargun wusste jetzt Bescheid. Und tatsächlich, schon bat er einen von uns (Davor), unsere wahre Geschichte zu erzählen, er hätte genug von Lügen. Um den Forderungen seines Herrn Nachdruck zu verleihen, fiel der Haushofmeister über Davor her, und es ist nur dem beherzten Eingreifen von Dolgan, Rashid und anderen zu verdanken, dass unser Kollega heute noch am Leben ist. Damit war zwar der Ghul tot, doch der Vampir forderte Wiedergutmachung! Wir folgten ihm in den oberen Burghof, wo er zuerst den Ghul wieder zu Leben (wenn man dies tatsächlich so bezeichnen darf) erweckte, und dann Davor und Dolgan zwang, sich auf Leben und Tod zu duellieren!
Wir waren ratlos. Die beiden griffen nach ihren Waffen, gingen vorsichtig aufeinander zu, als plözlich ein Ruf ertönte: Haltet ein! Es war Thalion Tiefental, und er stand am Eingang des Burghofes, endlich! Dieser paralsierte die Schergen des Vampirs, wies uns an, die Praiosinsignien aus dem Turm zu holen, und stellte sich dem Vampir gegenüber. Was für ein Magierduell muss dies gewesen sein! Doch viel habe ich davon nicht mitbekommen; ich lief mit den anderen zum Turm des Vampirs, wo uns dessen Garde nicht über den schmalen Wehrgang lassen wollte. An dieser Stelle zahlte es sich nun aus, dass wir so viele Magier waren: Fulminictus, Fulminictus, Ingnifaxius... der Wehrgang war frei, und zwei von uns stürmten nach oben, die Insignien zu holen. Unten im Hof fiel gerade der Bann der Versteinerung von den Borbaradianern, als wir wieder eintrafen. Ein Teil kämpfte im Hof, während der Rest um Thalion Tiefental mit den heiligen Insignien des Herrn Praios versuchte, Lord Thargun in Richtung seines Sarges zu drängen. Die heilige Praioskerze flackerte, doch sie verlosch nicht, und es gelang uns, den Erzvampir in seinen Sarg zu betten.

Und Ruhe ward. Wir hatten sie bitter verdient. Wir hatten ein Borbaradianerlager im Wald gefunden und besiegt, einen Tempel des Ingerimm wieder geweiht, den Kelch wiedergefunden und schließlich der Bedrohung durch Lord Thargun ein Ende gesetzt.

Geschätzter Großmeister, jetzt fragt Ihr euch sicher, was wir getan haben, damit der Sieg nicht nur ein Vorbergehender sei. Den Kelch hatte Thalion Tiefental an sich genommen. Er sagte, er wüsste einen sicheren Ort, und ich vertraue ihm. Mit Davors Hilfe vollzog ich ein Ritual, um einen Dschinn des Erzes zu beschwören. Wir baten ihn, den Sarg des Vampirs und die Insignien des Praios mit Stein zu bedecken, auf dass er niemals wieder befreit werde.

Wir verbrannten die Flagge der Borbaradianer, und mittlerweile ist auch wieder Verstärkung aus dem Mittelreich eingetroffen, die Burg in Besitz zu nehmen. Auch die Verräterin haben wir gefunden: es war Kassandra, und sie war unter dem geistigen Einfluss des Vampirs gestanden.
Soweit, mein Lehrmeister, die, wie ich Euch angekündigt habe, bedeutsamen Ereignisse der letzten Tage. Ich nehme an, Ihr werdet verstehen, wenn ich eingangs sagte, man wähnte sich hier bisweilen am Rande der Finsternis. Doch nun, es ist uns gelungen, die Finsternis aus diesem Teil Aventuriens zu vertreiben.

Dem möchte ich nur eine persönliche Bitte hinzufügen: Mein Gefährte Dolgan würde gerne unsere uralte Festung mit eigenen Augen sehen. Hieltet Ihr es für vertretbar, ihn einmal nach Drakonia einzuladen?

So Lebt nun wohl, die Zwölfe mit Euch,
Naryador Serendican

geschrieben von Jean-Mathias Grießmeier

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